Für das Klinik-Projekt bin ich den Phänomenen, die Gesundheit ausmachen, nachgegangen, um auch in der Formensprache mit diesen zu arbeiten. Gesundheit selbst ist durch einige Phänomene gekennzeichnet, zum Beispiel, dass es immer um ein Zusammenspiel von Polaritäten geht, Gesundheit ist nie einseitig! Wir atmen ein, und wir atmen aus. Wenn eine Seite solcher Polaritäten zu stark wird, entsteht Krankheit.
In Bezug auf d en physischen Leib wirken sich insbesondere Material und Raumklima auf die Gesundheit aus. Hier in Arlesheim bauen wir mit Holz – man könnte meinen, wir folgen dabei nur dem allgemeinen Trend. Aber vielmehr ist es die Natürlichkeit dieses nachhaltigen Rohstoffs, der uns mit seinen positiven Eigenschaften überzeugt. Schliesslich wird hier auch eine Medizin angeboten, die sich von der Natur und dem geistigen, seelischen und physischen Menschen inspirieren lässt.
Die Formensprache, die Architektur selbst, wirkt sich ebenfalls auf den Menschen aus – bis in den physischen Leib: Wir nehmen wahr, tasten ab, wir bilden es innerlich nach. All das hat eine Wirkung, geistig, seelisch, bis ins Physische hinein! Lässt ein Gebäude Raum zum Atmen? Stimmen die Proportionen? Welche Geste sprechen die Formen? Das beeinflusst die Wirkung eines Gebäudes auf den Menschen, und diese wiederum hat Einfluss auf dessen Wohlbefinden und schliesslich auf die Gesundheit. Auch in der Architektur lassen sich polare Prozesse entdecken, die ich in meinen Projekten jeweils in ein Gleichgewicht zu bringen versuche: Ein- und Ausatmen, Komprimierung und Ausdehnung usw. – immer mit dem Versuch, nie einseitig zu werden; auch wenn Einseitigkeit noch so faszinierend sein kann.
Ein Urprinzip der Architektur besteht in der Begegnung von Tragen und Lasten. An jedem Bauwerk gibt es die tragenden Teile, die die Lasten «sammeln» und ihre Gewichte «verteilen». Ebenso muss bei jedem Gebäude das Innere mit dem Äusseren harmonieren. Es braucht ein Gleichgewicht zwischen Wärme/Umhüllung und Kontakt mit der Aussenwelt. Ich will das an einem Beispiel beschreiben: Die Formensprache der Fenster im 2. Obergeschoss nimmt die Gebärde der Umhüllung auf, den Bogen. Gleichzeitig löst sich dieser Bogen auf und nimmt so Beziehung mit der Umgebung auf.
Das Leben ist Entwicklung und Bewegung, eigentlich also etwas sehr Musikalisches. In einem modernen und flexiblen Holzbau dominiert der Takt, mit viel Wiederholung. Ich habe versucht, da etwas mehr Entwicklung, Dynamik und Bewegung in die Fassadengestaltung, aber auch in die Detaillierung des Inneren zu integrieren. Takt/Wiederholung und Bewegung/Dynamik – auch das sind Polaritäten, aber in einem individuellen Gleichgewicht.
Welche Herausforderungen und Grenzen setzt er? Holz hat viele Möglichkeiten, ist aber zugleich in ein System gepresst, das mit den einzelnen Bauelementen einen Takt vorgibt. Dieses System wollte ich bereichern und eine lebendige Formensprache inkludieren, was nur an einzelnen Stellen geht. Dieser Ansatz ermöglicht wiederum ein Gleichgewicht zwischen Polaritäten: der vorgegebene Takt und die Einfachheit gegenüber einer freieren, komplexeren und beweglicheren Formensprache. Bewegung kommt zur Ruhe, und aus der Ruhe entsteht wieder Bewegung. Diesen Wechsel habe ich in die Konzeption mit eingebaut, das macht das Gebäude umso spannender.
Holz ist das weichste konstruktive Baumaterial. Für den Holzbau wird dieses weiche Material in ein System gepresst, es wird starr, fest. Das hat noch wenig mit dem Wesen des Holzes zu tun. Durch eine Leichtigkeit in der Architektur, durch Rundungen und durch Beweglichkeit kann die Weichheit wieder neu aufgenommen werden. Ich wollte mit der Gestaltung dem Holz seine Eigenschaften zurückgeben. Zudem nimmt Holz Wärme auf und strahlt diese wieder ab –
auch diese Geste hat etwas Heilsames. Spannend am Klinikbau ist zudem die Kombination aus Holz und Stahlbeton, denn in dieser Materialität steckt wieder eine Polarität: Holz als das weichste, Stahlbeton als das härteste konstruktive Baumaterial. Beide kommen im Neubau zusammen.
Ich habe mich intensiv mit den Urphänomen beschäftigt, die am Ita Wegman Haus auf dem Klinikgelände sichtbar sind, und Möglichkeiten gesucht, diese in eine zeitgemässe Formensprache zu wandeln, die gleichzeitig den inhaltlichen Bedürfnissen der Klinik entspricht. Auch im Ita Wegman Haus sind die Phänomene «Tragen und Lasten», «Umhüllen und gleichzeitig wach und offen zur Aussenwelt sein» sowie «Kern und Peripherie» gut erkennbar. Das war für meine Arbeit an den Klinikentwürfen eine passende Orientierung. Ich konnte das Bewährte aufgreifen und in eine aktuelle
Formensprache bringen. Letztlich wird das auch dazu beitragen, dass die verschiedenen Holz-Gebäude auf dem Gelände, das Ita Wegman Haus, das Therapiehaus, das neue Heilmittellabor und der Klinikneubau, gut miteinander harmonieren.
Ein Haus, vor allem ein Klinikgebäude soll einen Beitrag leisten zum körperlichen, seelischen und geistigen Wohlbefinden und unterstützend wirken im Heilungsprozess. Idealerweise fühlt der Mensch im Gebäude: Hier geht es mir gut, hier fühle ich mich wohl, die Gestaltung ist im Einklang mit meinem Menschsein.
Insofern habe ich mich mit verschiedenen Fragen auseinandergesetzt. Wie wirkt eine Form? Was macht eine Form, das Material aus? Wie wirken die Materialien auf den Menschen? Wir versuchen, das Gebäude und dessen Grundrisse bis in die Funktionalität, in die Organisation zu gestalten. Das machen wir gemeinsam in der ARGE, einer Arbeitsgemeinschaft verschiedener Architekturbüros, und zusammen mit den Fachplanern. Wir setzen auf Funktionalität und das Unterstützen der funktionalen Prozesse, auf viel Tageslicht und natürliche Materialien und Farben. Die Gestaltung, das
Material und die Farbe tragen zum hüllenden Ambiente der Zimmer bei. Das Farbkonzept passt zu den Funktionen der verschiedenen Regionen des Baus. Das Erdgeschoss hat viel Technik, da ist die Farbe anders als im Obergeschoss, in dem die Bettenstation ist. Hier braucht es mehr eine warme, umhüllende Farbe.
Das ist das Thema heilender Architektur: ein Gebäude als Gesamtgestalt. Was im Äusseren da ist, zeigt sich auch im Inneren und umgekehrt. Da stellt sich als durchgängige Geste auch die Frage nach Zentrum und Peripherie und der Beweglichkeit zwischen ihnen. Entsprechend gestalten wir das Hineinkommen in das Gebäude: Man kommt durch den Eingang in eine Art Atrium: es ist Kern und Zentrum des ganzen Gebäudes, quasi das Herz der Orientierung, das die verschiedenen Ecken des gesamten Baus verbindet.