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Unser Körper ist überaus nachtaktiv. Wenn wir schlafen, macht er sich an vielerlei Arbeiten.
Das Gehirn startet eine grosse Aufräumaktion. Unzählige Synapsen lösen sich auf, die sich tagsüber zwischen Nervenzellen gebildet haben, und alle Tageseindrücke verschwinden aus dem «Notizbuch des Gehirns» (Hippocampus) in die Gedächtnisspeicher der Grosshirnrinde. Diese Prozesse im neuronalen Netzwerk sind unabdingbar für die Bildung von Erinnerungen. Wir behalten langfristig nur im Kopf, worüber wir geschlafen haben.
Auch das Hormonsystem kommt so richtig in die Gänge, wenn wir schlafen, um Wachstumshormone auszuschütten, die daran mitwirken, die innere Organe, das fasziale System, die Muskeln und die Knochen zu regenerieren. Gleichzeitig verstärken sich im Schlafe die Aktivitäten und die Kompetenzen des Immunsystems und füllen sich unsere Energiespeicher neu auf. Zudem sinken im Schlaf die Herzfrequenz, der Blutdruck und die Körpertemperatur ab.
Schlafstörungen stören folglich nicht allein den Schlaf, sondern viele wichtige, teils komplexe Regulations- und Regenerationsprozesse. Umso wichtiger ist ein qualitativ guter Schlaf, worüber zwei Fehlannahmen kursieren:
Schlafstörungen kommen nicht von heute auf morgen. Wo keine besonderen Ursachen wie Atemprobleme (Schlafapnoe), unruhige Beine (Restless-legs-Syndrom) oder Cancer Fatigue vorliegen, kann man viele Ein- und Durchschlafstörungen als ein allmählich verlerntes Schlafen interpretieren. Schlafen ist eine grundlegende Fähigkeit, die wir verlernen können, wenn wir schlaffördernde Gewohnheiten vernachlässigen.
Die folgenden Tipps ersetzen keine schlafmedizinische Abklärung, aber öffnen die Augen dafür, wie viel wir selber ausprobieren und umsetzen können, um zu einem bessern Schlaf zu kommen.
Koffein hält länger wach, als viele glauben. Verzichten Sie darauf ab 16 Uhr. Denken Sie auch an den circadianen Rhythmus der Verdauung. Ein spätes, ausgiebiges oder fettreiches Abendessen bringt die innere Uhr des Darms gehörig aus dem Takt. Zwischen der letzten Mahlzeit des Tages und dem Zubettgehen sollten mindestens drei Stunden liegen. Alkohol mag das Einschlafen erleichtern, aber beeinträchtigt die Qualität des Schlafes.
Geraten Sie im Laufe des Abends in den immer gleichen Trott! Pflegen Sie Routinen, die Sie entspannen und Ihnen ein Gefühl der Gelassenheit und der Geborgenheit vermitteln. Das kann mit sanftem Yoga, stillem Qigong, einer Progressiven Muskelrelaxation oder mit Musikhören geschehen. Vielen hilft auch, förmliche Rituale zu zelebrieren, wie eine warme Tasse Tee zu trinken oder eine abendliche Fussmassage zu geniessen.
Sind Sie ein Opfer nächtlichen Gedankenkreisens? Dagegen kann eine wissenschaftlich fundierte Methode helfen: Setzen Sie sich eine Stunde vor dem Zubettgehen irgendwo hin (aber ausserhalb des Schlafzimmers) und schreiben Sie alles auf ein Papier, was Sie an diesem Tag besonders beschäftigt hat, wie positive und negative Erlebnisse, Arbeitskonflikte oder Sorgen, die Sie sich machen. Und/oder notieren Sie, was Sie sich für den nächsten Tag vornehmen: Pendenzen, Projekte, Pläne. Ob Tagesrückblick oder To-do-Liste, was Sie auf Papier bannen und damit buchstäblich beiseite legen, wird Sie beim Einschlafen und in nächtlichen Wachphasen eher in Ruhe lassen.
Gehen Sie morgens spazieren! Schon 30 Minuten Bewegung bei natürlichem Tageslicht machen Sie so richtig wach, hellen die Stimmung auf und synchronisieren die innere Uhr des Körpers mit der jahreszeitlich wechselnden Tageslänge. Der Schlaf-Wach-Rhythmus ist der wichtigste circadiane (d.h. auf eine Periodenlänge von 24 Stunden abgestimmte) Rhythmus. Zusammen mit dem Schlafdruck ist er massgeblich für die Steuerung des Schlafes zuständig.
«Schlafdruck» ist das Stichwort für den nächsten Tipp.
Ein kurzer Mittagsschlaf mag Sie nachmittags munter und leistungsfähig machen, aber vor allem bei Einschlafstörungen ist davon abzuraten. Denn ein Mittagsschlaf baut den biochemischen Schlafdruck ab, den Sie abends benötigen, um einschlafen zu können. Auch wenn Sie mehrere Nächte hintereinander zu wenig geschlafen haben, sollten Sie den Tagesschlaf vermeiden und weiterhin zur selben Zeit zu Bett gehen und morgens aufstehen. Unregelmässige Schlafenszeiten können die Schlafqualität beeinträchtigen.
Geistig sind wir tagsüber häufig im Modus des analytischen, rationalen Denkens aktiv. Umso wichtiger ist es, abends in den intuitiven, kreativen Modus zu wechseln. Sie schaffen diesen Switch mit positiven Bildern, Träumereien, Erinnerungen an schöne Erlebnisse oder einer fesselnden Lektüre. Denselben Zweck erfüllen Gute-Nacht-Geschichten.
Bei längeren Schlafstörungen assoziieren wir das Bett im Schlafzimmer häufig mit negativen Emotionen. Dagegen kann die Stimuluskontrolle helfen. Sie ist eine Technik aus der kognitiven Verhaltenstherapie mit dem Ziel, das Bett wieder als ein positives Signal für Schlaf und Entspannung wahrzunehmen. Das bedeutet, das Bett nur zum Schlafen (und zum Liebesspiel) zu nutzen und bei Schlaflosigkeit nie lange liegen zu bleiben, sondern aufzustehen und in einem anderen Raum einer Tätigkeit nachzugehen, bis man sich schläfrig fühlt.
Eine weitere Technik der kognitiven Verhaltenstherapie ist die Schlafrestriktionstherapie. Sie zielt darauf, die Schlafqualität durch gezielte Kürzungen der Schlafdauer (Quantität) zu verbessern. Therapeutischer Schlafentzug soll den Schlafdruck erhöhen und eine gestörte Schlafarchitektur korrigieren helfen. Diese kann sich bei Krankheiten signifikant verändern. Zum Beispiel verschieben und verlängern sich bei depressiven Menschen die REM-Phasen, wohingegen Fibromyalgie-Betroffene kaum oder gar keinen Tiefschlaf mehr finden.
Der Schlaf und die Körpertemperatur hängen eng miteinander zusammen. Schon beim Einschlafen beginnt der Körper, eine Absenkung der Kerntemperatur einzuleiten. Wärme vor dem Schlafengehen fördert die Abkühlung durch Weitung der oberflächlichen Gefässe. Aus diesem Grunde sind wärmende Einreibungen und Massagen gute Einschlafhilfen. Speziell für Einreibungen empfiehlt sich die Kupfersalbe, ein anthroposophisches Heilmittel zur Harmonisierung des Wärmehaushaltes.
Tipps 1 bis 9 zielen auf Verhaltensänderungen, die zeigen, wie wir selbstwirksam aktiv werden können, um Schlafstörungen zu therapieren oder präventiv abzuwenden. Gleichzeitig machen sie deutlich, dass der Schlaf ein genauso wichtiger Lebensstilfaktor ist wie die Bewegung, die Ernährung und die sozialen Interaktionen, wofür die aktuelle Schlafforschung überzeugende Belege liefern kann.1 Erst wenn die Verhaltenstherapie ausgeschöpft ist, sollte man eine medikamentöse Therapie in Erwägung ziehen und dabei lieber auf pflanzliche Präparate setzen, die nebenwirkungsarm sind und nicht abhängig machen. |
Zu empfehlen sind insbesondere die Heilpflanzen Passionsblume (Passiflora), Baldrian (Valeriana officinalis), Hopfen (Humulus lupulus), Brutblatt (Bryophyllum) und Lavendel (Lavandula angustifolia). Sie fördern und verbessern den Schlaf, indem sie innere Unruhe dämpfen, Ängste lösen oder auch die Stimmung aufhellen. Übrigens hat auch eine Getreidesorte eine beruhigende und abends schlaffördernde Wirkung: Hafer. Die gängige Empfehlung lautet, eine Stunde vor dem Schlafengehen eine Tasse Haferflocken mit Milch einzunehmen und daraus eine regelmässige Gewohnheit zu machen.
[1] Vorster APA et al. Sleep Health. Clin. Transl. Neurosci. 2024, 8(1), 8;
https://doi.org/10.3390/ctn8010008
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