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Die Privatklinik mit anthroposophischer Ausrichtung bedient sich für ihren Neubau einer neuartigen Holzbauweise. Artikel in der Basler Zeitung.

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Faszinierende Heilpflanzenforschung

Faszinierende Heilpflanzenforschung

16. Juni 2022 Seite drucken 6 Minuten Lesezeit (1217 Wörter)

Heilpflanzen auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen, ist ein anspruchsvolles Unterfangen – das ist Ana Paula Simões-Wüst bestens vertraut. Seit 16 Jahren forscht sie als Naturwissenschafterin auf diesem Gebiet, seit acht Jahren zusätzlich zu ihrer Tätigkeit am Universitätsspital Zürich auch an der Klinik Arlesheim. Ihr Spezialgebiet sind Präparate und Substanzen aus Bryophyllum pinnatum, einer der Hauptpflanzen der anthroposophischen Heilkunde, die zunehmend auch Einzug in die konventionelle Medizin findet.

heilpflanze 1

Die Heilpflanze Bryophyllum pinnatum

Die Herstellung pflanzlicher Produkte ist kein exklusives Merkmal der Klinik Arlesheim und auch nicht der anthroposophischen Heilkunde. Etwa drei Viertel der Weltbevölkerung verlassen sich auf pflanzliche Produkte zu medizinischen Zwecken. Pflanzliche Heilmittel wurden und werden noch immer in verschiedenen Formen der traditionellen Medizin verwendet.

Vielfältige Herausforderungen

Heutzutage ist die Anwendung von Heilpflanzen zunehmend evidenzbasiert, obwohl es nach wie vor Schwierigkeiten bei der Durchführung der erforderlichen Studien gibt, sowohl in finanzieller als auch in methodischer Hinsicht. Finanziell deshalb, weil die Möglichkeiten der Hersteller oft begrenzt sind, was auch damit zusammenhängt, dass sich pflanzliche Produkte nur beschränkt patentieren lassen. Methodisch vor allem deswegen, weil die Anzahl pflanzlicher Produkte hoch ist.

Die Pflanze als biologische Art, die Erntezeit, der geerntete Pflanzenteil (Blätter, Wurzel, Blüte, Stängel), der Verarbeitungsprozess, die Aufbewahrung und Konservierung und auch die Verabreichungsform können unterschiedlich sein. Genau genommen verdient jede Kombination dieser Faktoren, als Medikament angeschaut und entsprechend untersucht zu werden. Ausserdem haben die aus verschiedenen Komponenten bestehenden pflanzlichen Heilmittel Potenzial in der Behandlung mehrerer medizinischer Indikationen. Das bedeutet, mehr als ein Wirkmechanismus muss untersucht und verschiedene klinische Studien müssen durchgeführt werden.

Muss, sollte, kann das alles bewerkstelligt werden? Weil insbesondere die Frage der Machbarkeit nur mit nein zu beantworten ist, sind ein paar Strategien entstanden, die Nutzung pflanzlicher Heilmittel zu vereinfachen. Einerseits gibt es vereinfachte Registrierungsverfahren für pflanzliche Produkte, bei denen eine dokumentierte Produktverwendung und eine sehr gute Verträglichkeit als ausreichende Kriterien gelten. Andererseits können die Inhaltsstoffe der Produkte analytisch charakterisiert werden. Anhand dieser Ergebnisse und bekannter Daten über Produkte mit vergleichbarer Zusammensetzung können Wirkungen und vor allem die Sicherheit eingeschätzt werden.

Vorzeitige Wehentätigkeit hinauszögern

Bezogen auf den Einsatz der Heilpflanze Bryophyllum pinnatum bei vorzeitiger Wehentätigkeit lässt sich exemplarisch zeigen, wie wichtig und letztlich auch erfolgreich die wissenschaftliche Erforschung der Wirkungszusammenhänge sein kann. Vorzeitige Wehentätigkeit ist noch immer eine sehr wichtige Indikation in der Geburtshilfe, da sie zu Frühgeburten führen kann und Frühgeburten für einen Grossteil der Säuglingssterblichkeit und von Langzeiterkrankungen verantwortlich sind. Ziel der Behandlung ist es, die Entbindung um wenigstens zwei Tage zu verzögern, um vor allem eine bessere Lungenreifung zu ermöglichen. Aber auch eine weitergehende Verlängerung der Schwangerschaft bis wenigstens zur Woche 37 wird angestrebt, ist allerdings immer noch zu häufig nicht zu erreichen. Behandelt wird die vorzeitige Wehentätigkeit mit Medikamenten, die die Kontraktionen hemmen, mit sogenannten Tokolytika. Diese verursachen aber zum Teil gravierende Nebenwirkungen. Mehrere Faktoren beeinflussen den Verlauf, ist doch die vorzeitige Wehentätigkeit eine multifaktorielle Erkrankung, bei der auch psychosoziale Aspekte eine wichtige Rolle spielen.

Ein erster Impuls

In den siebziger Jahren wurde in Deutschland bei vorzeitiger Wehentätigkeit ein hoch dosiertes Medikament der Gruppe der Beta-Sympathomimetika sehr breit eingesetzt – mit der Konsequenz, dass viele Frauen die starken und häufigen Nebenwirkungen spürten. Nicht zuletzt diese unerwünschten Nebenwirkungen dürften den am anthroposophischen Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke tätigen Dr. Hassauer dazu animiert haben, nach Alternativen zu suchen. So fing er an, die Patientinnen mit moderater Wehentätigkeit mit Bryophyllum pinnatum – damals in der Anthroposophischen Medizin bekannt wegen seiner beruhigenden Wirkung – zu behandeln. Dr. Hassauer musste sich zwar des Erfolgs seiner Behandlung sicher gewesen sein, wollte aber auch andere Ärztinnen und Ärzte davon überzeugen. So wertete er alle Tokolyse- Behandlungen des Jahres 1979 rückblickend – das heisst retrospektiv – aus. Es zeigte sich, dass die Wirksamkeit unter diesen alltäglichen Bedingungen vergleichbar mit derjenigen in konventionellen Institutionen war, aber die Nebenwirkungen waren seltener und schwächer als mit der Standardbehandlung. Die Ergebnisse von 1979 wurden in einer ersten Arbeit publiziert, zwei ergänzende Publikationen über retrospektive Studien folgten.

Vergleichende Forschung

Der nächste wichtige Schritt war eine Studie, die zwar gleichfalls retrospektiv aufgelegt, aber vergleichend war. Schwangere Frauen mit drohender Frühgeburt wurden einerseits aus drei Kliniken mit Anthroposophischer Medizin rekrutiert, wo sie hauptsächlich mit Bryophyllum pinnatum behandelt wurden, und anderseits aus dem Universitätsspital Zürich mit der damaligen Standardbehandlung mittels Beta-Sympathomimetika. Die Behandlungen erfolgten wie sonst in diesen Spitälern, die Patientinnen wurden aber im Nachhinein „gematcht“. Das bedeutet, die zwei untersuchten Gruppen waren am Anfang der Behandlung so ähnlich wie möglich, betreffend der Faktoren, die hinsichtlich des Verlaufs wichtig sind. Es stellte sich heraus, dass beide Gruppen gleich gut abschnitten: Die Verlängerung der Schwangerschaft und die Schwangerschaftsdauer bei Geburt waren ähnlich. Strikt genommen kann aber nur mit randomisierten, kontrollierten Studien die Wirksamkeit eines Medikaments bewiesen werden. Im Jahr 2006 wurde deshalb am Universitätsspital Zürich eine solche initiiert. Frauen mit drohender Frühgeburt wurden rekrutiert und durch ein Zufallsprinzip einer von zwei Gruppen zugeordnet – im Fachjargon: randomisiert. Die eine Gruppe wurde mit Bryophyllum pinnatum behandelt, die andere mit Nifedipine, inzwischen die bevorzugte Standardmedikation bei vorzeitiger Wehentätigkeit. Hauptzielparameter war die Anzahl der Kontraktionen vier Stunden nach Beginn der Behandlung. Diese Studie wurde zwar gestoppt, bevor alle für den Vergleich beider Behandlungen benötigten Patientinnen eingeschlossen worden waren, da die Rekrutierung langsamer als erwartet verlief. Auch wenn deswegen die Daten mit Vorsicht zu geniessen sind, deuten sie darauf hin, dass in beiden Gruppen eine wichtige Abnahme der Anzahl Kontraktionen stattgefunden hat.

Aufschlussreiche Laborstudien

Die Entwicklung eines neuen pharmazeutisch-synthetischen Produkts fängt mit den sogenannten präklinischen oder in-vitro-Versuchen an. Erst nachher finden die klinischen Studien statt, viel später und nur bei vielversprechenden Ergebnissen wird das Produkt in der klinischen Praxis eingesetzt. Am Anfang der Entwicklung pflanzlicher Arzneimittel stehen eher empirische Beobachtungen aus der klinischen Anwendung. Untersuchungen zu ihrem pharmakologischen Wirkmechanismus werden, wenn überhaupt, später nachgeholt. Mit Bryophyllum pinnatum wurden diese Untersuchungen erstmals mit Uterus-Biopsien gemacht, die direkt nach dem Kaiserschnitt der Patientinnen entnommen wurden, falls diese mit der Entnahme einverstanden waren. Aus solchen Uterus-Biopsien werden dabei kleine Streifen geschnitten, die anschliessend in einer Myograph-Kammer aufgespannt werden. Dort können minime Veränderungen der Muskelspannkraft aufgezeichnet werden. Nachdem ein Streifen aufgespannt ist, fängt er typischerweise bald spontan an zu kontrahieren. Die Zugabe tokolytischer Medikamente kann die Stärke dieser Kontraktionen reduzieren. Zahlreiche Experimente machten deutlich, dass wiederholte Zugaben kleiner Mengen von Bryophyllum pinnatum ebenfalls zu schwächeren Kontraktionen führen. Es zeigte sich auch, dass Bryophyllum pinnatum die Wirkung von Tokolytika verstärken kann. In der Praxis wird es tatsächlich mehrheitlich in Kombination mit solchen Standardmedikamenten eingesetzt. Ebenfalls im Labor möglich ist die Untersuchung der Signalübertragungswege in den sogenannten Myometrium-Zellen, das heisst Muskelzellen der Gebärmutterwand, die für die Kontraktionen unabdingbar sind. So konnte gezeigt werden, dass Blätterpresssaft aus Bryophyllum pinnatum biologisch sehr aktiv ist und diese Signalübertragungswege hemmt.

Breite Anerkennung

Was in den siebziger Jahren in Herdecke angefangen hatte, führte durch viel Forschungsarbeit zu unerwarteten Konsequenzen. Bryophyllum-Präparate werden heutzutage nicht nur in der Anthroposophischen Medizin, sondern auch in mehreren grossen perinatalen Zentren der Schweiz bei vorzeitiger Wehentätigkeit eingesetzt, häufig zusätzlich zu den Standardmedikamenten. Eine neue Umfrage zur Benutzung pflanzlicher Heilmittel während der Schwangerschaft im Kanton Zürich zeigt, dass fast eine von drei Teilnehmerinnen Bryophyllum nimmt.

 

Bei Interesse können bei der Autorin Literaturhinweise erfragt werden.

PD Dr. phil. II (P) Dipl. Biol. Ana Paula Simões-Wüst
Biologiestudium Universität Coimbra (PT). Biochemikerin/Zellbiologin an der Universität Utrecht (NL, hier auch Arbeit an Promotion), am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DE) und am Labor für Onkologie des Universitätsspitals Zürich.
AnaPaula.Simoes-Wuest@klinik-arlesheim.ch  
Biologiestudium Universität Coimbra (PT). Biochemikerin/Zellbiologin an der Universität Utrecht (NL, hier auch Arbeit an Promotion), am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DE) und am Labor für Onkologie des Universitätsspitals Zürich.

 

    weitere Angaben zum Arbeitsschwerpunkt:

 

Erforschung der molekularen Grundlage mehrerer Krankheiten.
Zwischen 2007 und 2014 Leitung der
Forschungsabteilung des Paracelsus-Spitals
Richterswil. Seit 2014 Wissenschaftliche Mitarbeiterin
an der Klinik Arlesheim und Forschungsgruppenleiterin
am Universitätsspital Zürich.
Seit 2016 Privatdozentin der medizinischen
Fakultät an der Universität Zürich.

 

Autor / Autorin

Marketing und Kommunikation, Klinik Arlesheim AG
Marketing und Kommunikation, Klinik Arlesheim AG
kommunikation@klinik-arlesheim.ch
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