Wie pflege ich mein Mikrobiom?

Wie pflege ich mein Mikrobiom?

25. März 2025 Seite drucken

Jeder Mensch hat mehr Mikroben als die Galaxis Sterne. Lesen Sie, warum die Artenfülle des Mikrobioms so wichtig ist und was Probiotika und Präbiotika bewirken.

Ausserhalb der Joghurtwerbung haben Bakterien einen schlechten Ruf. Seit ihrer Entdeckung im Zusammenhang mit Milzbrand, Tetanus und Tuberkulose gelten sie als Krankheitserreger, gegen die wir einen Hygiene-Krieg und Antibiotika ins Feld führen.

Dabei übersehen wir folgende Tatsachen: Die meisten Bakterien sind harmlos, viele sind nützlich und einige sind lebenswichtig, weil sie eng mit unserem Immunsystem zusammenarbeiten. Autoimmunkrankheiten und Allergien sind auf dem Vormarsch, wo hohe hygienische Lebensumstände herrschen. Und die unbesonnene Anwendung von Antibiotika führt zu bakteriellen Resistenzen, die diese medizinischen Waffen stumpf machen.

Es ist höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel in Bezug auf Bakterien und andere Mikroben.

Was sind Mikroben?

Zu den Mikroben oder Keimen (beide Begriffe meinen dasselbe) zählen Bakterien, Pilze, Viren und anderen Mikroorganismen. Jedes Staubkorn trägt Tausende davon auf sich. In einem Teelöffel Meerwasser wimmelt eine ganze Million. Und ein einziges Gramm Humus enthält eine Milliarde Keime von 8000 verschiedenen Arten. Das macht die obere Bodenschicht zum artenreichsten Mikrobiom des Planeten.

Was ist das Mikrobiom?

Mikroben sind gesellig. Sie bilden Gemeinschaften, die einen gemeinsamen Lebensraum teilen, wie zum Beispiel die Haut eines Menschen. Das Hautmikrobiom umgibt unseren Körper wie eine lebendige Aura oder Wolke. Wenn wir anderen Menschen nahekommen, berühren sich diese mikrobiellen Wolken und kommt es zu einem Austausch mikrobieller Erbsubstanz. Auf diese Wege (sowie über die Atemluft) geben wir Stücke eigener DNA und RNA ab und nehmen Stücke fremder DNA und RNA auf.

Das mit Abstand grösste Mikrobiom ist das Darmmikrobiom. Es kann bis zu 2 Kilogramm wiegen. Es besiedelt den Dickdarm und in geringerer Zahl den Dünndarm. Weitere mikrobielle Gemeinschaften leben in Mund, Rachen und Nase, in der Lunge, im Urogenitalsystem, im Gehirn und vielen weiteren Organen und Geweben. Der menschliche Körper hat nirgends keimfreie Räume. Überall siedeln mehr oder weniger Mikroben.

Das Mikrobiom in Zahlen

100 Billionen Mikroben bilden das Mikrobiom eines einzigen Menschen. Das sind mehr Mikroben als Sterne in der Galaxis. Beeindruckend ist auch die Vielfalt des Mikrobioms. Die Forschung hat im und am menschlichen Körper schon über zehntausend Arten identifiziert. Das Mikrobiom eines Menschen ist so einzigartig wie sein Fingerabdruck.

Unser Körper ist ein Ganzes aus menschlichen Zellen und Mikroben. Zahlenmässig bestehen wir sogar aus mehr Mikroben als aus Körperzellen. Krass ist das genetische Zahlenverhältnis: Das Mikrobiom eines Menschen zählt hundertfünfzigmal mehr Gene als sein Genom.

Warum soll ich mein Darmmikrobiom pflegen?

Unser Darmmikrobiom lebt mit uns in einer engen Symbiose und beeinflusst viele Aspekte unserer Gesundheit. Um nur drei wichtige herauszugreifen:

  1. Ein gesundes Darmmikrobiom ist Verdauungshelfer und Energielieferant. Darmbakterien verstoffwechseln unverdauliche Nahrungsfasern (Ballaststoffe) zu kurzkettigen Fettsäuren, die im ganzen Körper helfen, Energie zu gewinnen sowie Vitamine und Fette zu bilden.
  2. Unsere Darmmikroben modulieren das Immunsystem und helfen, Entzündungen zu regulieren. Chronische Entzündungen stehen im Zusammenhang mit vielen gesundheitlichen Problemen wie Autoimmunerkrankungen, Herzkrankheiten und Demenz.
  3. Darmbakterien bilden Moleküle, die über die Darm-Hirn-Achse auf das zentrale Nervensystem wirken. Ein gesundes Darmmikrobiom kann die emotionale Stimmung verbessern und kognitive Fähigkeiten stärken.

Gerade im Alter sollte man sein Mikrobiom besonders pflegen. Denn die Stoffwechselprodukte (Metaboliten) und weiteren bioaktiven Stoffe, die es bildet, haben Einfluss auf Alterungsprozesse. So vermochte eine Studie von 2024 zu zeigen, dass Ernährungsmassnahmen, die altersbedingte Veränderungen des Mikrobioms hinauszögern, auch die Gesundheitseinbussen aufschieben, die mit dem Alter einhergehen, messbar am Entzündungsstatus, an der Belastbarkeit und an kognitiven Funktionen.[1]

Multikulti statt Monokulturen!

Während die Mikrobiom-Forschung von jedem Bakterienstamm experimentell nachweisen muss, zu welchen gesundheitsbezogenen Ergebnissen er beiträgt, können wir uns summarisch und pragmatisch an ein einfaches Prinzip halten: Wir pflegen unser Mikrobiom am besten, indem wir seine Artenfülle fördern.

Woher wir das wissen? Weil gesunde Menschen in ihrem Darm viele verschiedenen Bakterienstämme und -arten beherbergen, kranke hingegen mikrobielle Monokulturen.

Zudem kennen wir die Lebensstilfaktoren, die das Mikrobiom verarmen lassen: viel Stress, wenig Bewegung sowie eine fett- und zuckerreiche Ernährung, industriell verarbeitete Nahrungsmittel und ein chronischer Mangel an pflanzlichen Nahrungsfasern (Ballaststoffen). Zur Pflege des mikrobiellen Artenfülle bedarf es einer ausgewogenen, pflanzlich betonten Ernährung, in der Präbiotika und Probiotika nicht fehlen dürfen.

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Welche Präbiotika ernähren mein Mikrobiom?

Präbiotika sind Ballaststoffe, die selektiv die nützlichen Bakterien füttern und deren Wachstum und Aktivität fördern. Sie passieren den Magen und den Dünndarm unverdaut, um erst im Dickdarm verstoffwechselt (fermentiert) zu werden. Zu erwähnen sind Galacto- und Fructo-Oligosaccharide, resistente Stärke, Pektin und Beta-Glucan.

Galacto- und Fructo-Oligosaccharide

Galacto-Oligosaccharide (GOS) und Fructo-Oligosaccharide (FOS) sind wahre Leckerbissen für die nützlichen Bakterien, die sie zu verschiedenen kurzkettigen Fettsäuren fermentieren. GOS sind enthalten in Hülsenfrüchten wie Bohnen, Linsen, Erbsen und Sojabohnen, ausserdem in Nüssen und Zuckerrüben. FOS finden sich in Topinampur, Spargel, Chicorée, Zwiebeln, Lauch, Knoblauch, Endivie, Artischocken, Schwarzwurzeln, Kohlgemüse und Wassermelone.

Kartoffelsalat aus dem Kühlschrank

Gekochte Kartoffeln bilden beim Abkühlen resistente Stärke, die von Dickdarmbakterien zu kurzkettigen Fettsäuren verstoffwechselt werden. Dies macht den Kartoffelsalat aus dem Kühlschrank zu einem Präbiotikum. Gleiches gilt für eine Rösti aus Kartoffeln vom Vortag, gekochten Reis und gekochte Teigwaren. In allen diesen Lebensmitteln bildet sich nach längerem Abkühlen (mindestens 12 Stunden) resistente Stärke, die beim Wiedererwärmen stabil erhalten bleibt. Übrigens liefern auch einige rohe Nahrungsmittel reichlich resistente Stärke, namentlich unreife Bananen und Cashew-Kerne.

Pektin in Beeren und Früchten

Auch der lösliche Ballaststoff Pektin ist für seine präbiotische Wirkung bekannt sowie speziell dafür, den Blutdruck, die Blutfettwerte und den Cholesterinspiegel günstig zu beeinflussen. Viel Pektin enthalten Beeren und Früchte wie Äpfel, Birnen und Quitten. Das Pektin konzentriert sich in der Schale, deshalb muss man diese mitessen, um den Darmbakterien dieses Präbiotikum zuzuführen.

Hafer und Gerste

Alle Getreidesorten enthalten Ballaststoffe, allerdings unterschiedliche Mengen und Arten. Präbiotisch besonders wertvoll ist der Ballaststoff Beta-Glucan. Er bildet im Darm eine Art Gel mit einer Schutzwirkung für die Darmschleimhaut und einem regulierenden Effekt auf Cholesterin, Blutzucker und Insulin. Am meisten Beta-Glucan enthalten Gerste und Hafer. Eine dieser zwei Getreidesorten sollte auf dem präbiotischen Frühstückstisch nicht fehlen, sei es als Flocken, Kleie oder Vollkorngebäck.

Wo finde ich Probiotika für mein Mikrobiom? 

Unter Probiotika versteht man Präparate oder Nahrungsmittel, die lebende Mikroorganismen enthalten, die sich im Dickdarm ansiedeln sollen mit dem Ziel, die Fehlbesiedelung durch krank machende Keime zu korrigieren. Sie sind also nicht Bakterienfutter (Präbiotika), sondern selber Bakterien, oder auch Hefepilze. Zu den bekanntesten probiotischen Bakterienstämmen zählen Lactobazillen und Bifidobakterien.

Zur optimalen Pflege des Mikrobioms empfiehlt es sich, gleichzeitig auf Präbiotika und Probiotika zu setzen, denn die Probiotika brauchen Bakterienfutter, sollen sie im Darm Wohnsitz nehmen, sich vermehren und die Zusammensetzung des Mikrobioms verändern.

Sauerkraut, Brottrunk und Miso

Probiotika finden sich in allen fermentierten Lebensmitteln. Aber diese dürfen weder pasteurisiert worden sein noch bei der Zubereitung stark erhitzt werden, denn die Mikroorganismen sterben bei hohen Temperaturen ab.

Sauerkraut ist das bekannteste fermentierte Gemüse. Zur Fermentation des fein gehobelten und gesalzenen Weisskohls bedarf es nicht einmal einer Starter-Bakterienkultur. Grundsätzlich lassen sich alle Gemüsesorten fermentieren wie zum Beispiel Sellerie, Pastinaken, Zucchetti oder Rüebli. Gemüse selber zu fermentieren, ist ein sinnliches Hobby und lässt eine traditionelle Form der Haltbarmachung wiederaufleben, weil Probiotika Schimmelpilze und Fäulnisbakterien abschrecken.

Zu den bekanntesten Probiotika auf der Basis von Getreide und/oder Hülsenfrüchten zählen der Brottrunk, das indonesischen Sojaprodukt Tempeh sowie die japanische Würzpaste Miso. Diese darf man erst am Ende der Zubereitung in eine Sauce oder Suppe einrühren und das Ganze nicht noch einmal aufkochen, damit möglichst viele Probiotika am Leben und die Geschmackstoffe intensiv bleiben.

Joghurt und Kefir

Probiotische Joghurts sind aus den Kühlregalen unserer Supermärkte nicht mehr wegzudenken. Wir assoziieren deshalb Probiotika gerne mit der Milch. Tatsächlich aber gehen die probiotischen Eigenschaften aufs Konto der einschlägigen Bakterienkulturen, die auch in pflanzlichen Milchersatzprodukten die Fermentation in Gang bringen. Analoges gilt für den klassischen Kefir (ein dickflüssiges Sauermilchprodukt) und die vegane Alternative des Wasserkefirs.

Wie bei jeder Ernährungsumstellung sollte man auch bei Probiotika und Präbiotika bedächtig vorgehen. Die Wirkungen auf das Darmmikrobiom können mit Anpassungsschwierigkeiten verbunden sein. Wenden Sie sich im Zweifelsfall an eine professionelle Ernährungsberatung oder kommen Sie in die Sprechstunde Lebensstilmedizin.

 

[1] O'Toole PW. Ageing, microbes and health. Microb Biotechnol. 2024 May;17(5):e14477. doi: 10.1111/1751-7915.14477. PMID: 38801344; PMCID: PMC11129672.

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gf

Dieser Blogartikel entstand im Rahmen des Vortrags «Das Mikrobiom und seine Rolle für unsere Gesundheit» des Gesundheitsforums vom 26.2.2025:
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Autor / Autorin

Text: Patrick Frei, Geprüft von: Philipp Busche, Chefarzt Innere Medizin
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