In den meisten unserer Produkte sind in vielfältiger Weise Pflanzenauszüge eingearbeitet, die wir aus Frischpflanzen gewinnen. Die Qualität des fachgerechten Anbaus der Pflanzen ist für die Endprodukte ebenso entscheidend wie die Standorte der Wildsammlungen.
Ein Teil der Frischpflanzen stammt aus unserem klinikeigenen Heilpflanzengarten. Da stehen Stauden wie zum Beispiel das Herzgespann (Leonurus cardiaca) oder die kletternde Zweihäusige Zaunrübe (Bryonia dioica); beide sind zur Blütezeit von Wildbienen sehr begehrt. Vom Herzgespann verarbeiten wir die oberirdischen Teile, von der Zaunrübe die bis über zehn Kilogramm schwere Speicherwurzel.
Weitere Heilpflanzen aus unserem Garten, die wir für unsere Produktion ernten, sind Borretsch (Borago officinalis), gelber Honigklee (Melilotus officinalis) oder das auf der Erde kriechende kahle Bruchkraut (Herniaria glabra), ein unscheinbares Nelkengewächs.
Einige Pflanzen stammen aber auch aus befreundeten Institutionen. Aus dem Garten der Weleda auf dem Bruderholz beispielsweise die Schafgarbe (Achillea millefolium), die Melisse (Melissa officinale) oder die Ringelblume (Calendula officinalis). Den heilkräftigen Wundklee (Anthyllis vulneraria) dürfen wir auf dem Gelände der Sonnhalde, Gempen, ernten.
Auch die Pflanzen in unserem Treibhaus werden nach Demeter-Richtlinien angebaut. Hier wächst wohlbehütet die Königin der Nacht (Selenicerus grandiflorus), ein Kaktus mit meterlangen, stacheligen Trieben. Jahr für Jahr beschenkt er uns im Juni mit Dutzenden von wohlriechenden, spektakulären Blüten, die sich zu später Abendstunde öffnen, um anderntags zu verwelken. Ein Blütenwunder für eine einzige Nacht!
Des Weiteren dient das Treibhaus der Aufzucht und Vermehrung etlicher Heilpflanzen. So gedeiht hier auch das Brutblatt (Bryophyllum daigremontianum), eine unserer ganz wichtigen Heilpflanzen, die sowohl in der Frauenheilkunde als auch in der Neurologie und der Psychiatrie angewandt wird.
Nicht alle Pflanzen lassen sich so ohne weiteres in Kultur nehmen. So liebt der Waldsauerklee (Oxalis acetosella) schattige und leicht feuchte Standorte und ist, obwohl in unseren Wäldern weit verbreitet, in Gartenkultur äusserst kapriziös. Entsprechend ernten wir diesen typischen Frühlingsblüher an ausgesuchten Waldstellen, natürlich nicht ohne Einwilligung der zuständigen Behörde.
Überhaupt werden Wildsammlungen sorgfältig und mit grossem Respekt durchgeführt, schliesslich tragen wir alle Verantwortung für unsere Umwelt und insbesondere für unsere Sammelstellen.
Ende Juni, Anfang Juli ist die Ernte-Zeit der Arnika (Arnica montana), der wohl bekanntesten Heilpflanze überhaupt. Auf über 1000 Metern Höhe wächst sie in den Vogesen bevorzugt auf mageren, sauren Böden, dem sogenannten Nardetum. Diese interessante Pflanzengesellschaft hat ihren Namen vom Borstgras (Nardus stricta) erhalten und beherbergt auch andere Heilpflanzen wie den Augentrost (Euphrasia sp.) oder den Gelben Enzian (Gentiana lutea).
Unter optimalen Bedingungen leuchten die Nardetum-Wiesen in Gelb. Umso wichtiger ist es, dass die Ernte der geschützten Arnika von der französischen Naturschutzbehörde streng reglementiert und überwacht wird. Sie gibt vor, wo und wieviel von der hochgeschätzten Pflanze geerntet werden darf.
Doch spätestens mit der Ernte wird man eins mit der Natur! Besonders eindrücklich ist der Sonnenaufgang; als goldene Scheibe steigt die Sonne hinter den Bergen auf und taucht die Matten in neues, klares Licht. Interessanterweise schauen alle Arnikablütenköpfchen zu dieser Zeit gegen Osten, als wollten sie eigens die Sonne begrüssen. Feldlerchen jubilieren in der Luft, Hummeln brummen noch schlaftrunken über die blütenreichen Wiesen.
Sobald wir die benötigte Menge an Arnika gesammelt haben, fahren wir auf direktem Weg in die Klinik zurück. So können wir die ganze Kraft der frischen Pflanzen in unsere Heilmittel einfliessen lassen, denn je mehr die Pflanze welkt, desto mehr geht ein Stück ihrer Lebenskraft verloren. Zurück im Labor klingt noch eine Zeit lang der Zauber dieses einmaligen Erntestandorts nach.
Pflanzen aus dem Alpenraum lassen sich in unseren Tieflandgärten eher schlecht als recht kultivieren. Deshalb ernten wir einige Pflanzen in ihrer angestammten Heimat hoch in den Bergen in Nachbarschaft mit Murmeltieren. Blauer Eisenhut (Aconitum napellus) oder Weisser Germer (Veratrum album) wachsen in diesen Höhen, und natürlich wiederum der Gelbe Enzian, ein wichtiges Bittermittel in unserem Heilmittelschatz.
Auch mediterrane Pflanzen fühlen sich bei unseren kalten und nassen Wintern nicht besonders wohl. Darum freut es uns ganz besonders, dass wir für einige Heilpflanzen aus dem Mittelmeerraum eine Stiftung auf Elba gefunden haben (Stiftung Widar), die für uns Pflanzen wie die nach Curry riechende Italienische Strohblume (Helichrysum italicum) oder auch die herzwirksame Meerzwiebel (Scilla maritima) anbaut.
Auch sonnenhungrige Vertreter aus der Familie der Lippenblütler gedeihen auf den lichtdurchfluteten Anbauterrassen bestens: Rosmarin, Salbei sowie der intensiv würzige Katzen-Gamander (Teucrium marum) haben dort ihre ursprüngliche Heimat.
Calendula-Ernte
Für unsere Heilmittel verarbeiten wir die verschiedensten Teile der Pflanzen gemäss dem anthroposophischen Menschenbild. Wurzeln, wie diejenigen von Wallwurz (Symphytum officinale) oder Grosser Klette (Lappa major), ernten wir im zeitigen Frühjahr, nach dem Einwirken der Winterkräfte, sobald Frost und Schnee die Erde wieder freigeben.
Mit dem beginnenden Aufsteigen der Säfte in den Bäumen, erkennbar am Schwellen der Knospen, erfolgt die Rindenernte, beispielsweise bei Eiche (Quercus robur), Birke (Betula pendula) oder Berberitze (Berberis vulgaris). Dabei werden sorgsam daumendicke Zweige geschnitten, gerade in jenem Stadium, wo die Rinde noch frisch und unverholzt ist.
Dann folgen die Frühjahrsblüher, je nach Jahr mal etwas früher, mal später: Ausdauerndes Bingelkraut (Mercurialis perennis) und Schöllkraut (Chelidonium majus) oder der bereits erwähnte Waldsauerklee.
Mit fortschreitendem Jahr kommen Löwenzahn (Taraxacum officinale), Brennnessel (Urtica dioica) und der Spitzwegerich (Plantago lanceolata) dazu. Später im Jahr dann die leuchtend orangenen Blüten der Ringelblume (Calendula officinalis), die würzig duftenden Schafgarben oder das sonnengelbe Johanniskraut (Hypericum perforatum).
Auch Früchte stehen auf unserer Ernteliste, die sauren Berberitzenfrüchte ebenso wie die mehligen Weissdornbeeren. Mit dem Sammeln der mahagonibraunen Kastaniensamen geht Anfang Oktober unser Erntejahr zu Ende.
Interessant zu wissen ist auch, wie unterschiedlich die benötigten Pflanzenmaterialien in ihrem Erntevolumen sein können. So brauchen wir etwa von der Nusskernhaut (Juglans regia) wenige Gramm, während wir für das Schlehenelixier bis zu einer Tonne Schlehenfrüchte (Prunus spinosa) verarbeiten.
Nach erfolgter Ernte werden die Pflanzen verlesen, gereinigt und gemäss ihrer späteren Verwendung verarbeitet. Das sind zum grössten Teil Auszüge in Alkohol in verschiedenen Wärmestufen wie ein Kaltauszug (Maceratio) oder eine Auskochung (Decoctum).
Daneben setzen wir aber auch spezielle Herstellungsweisen ein wie rhythmisch vergorene Pflanzensäfte nach Rudolf Hauschka oder Auszüge in Salzwasser (Sole). Zudem werden einige Pflanzen direkt nach deren Ernte schonend getrocknet und danach weiterverarbeitet, entweder zu Teemischungen oder zu Ölauszügen.
weitere Angaben zum Arbeitsschwerpunkt: | Sein Spezialgebiet sind die rhythmischen Herstellungsverfahren und die damit verbundene Dokumentation mittels Steigbildmethode. |